Conference paper
Schädler-Saub, Ursula:
Wie entsteht ein Fragment? Zur Nutzungs- und Restaurierungsgeschichte der ehemaligen Bibliothek in der Brandenburger Domklausur
Der Wandmalereizyklus zu den Wissenschaften und Künsten in der ehemaligen Bibliothek der Brandenburger Domklausur ist in den 1440er Jahren entstanden. Wenige Jahre später wurden die „edlen Gemälde“ vom Humanisten Hermann Schedel beschrieben und wegen ihrer Schönheit gepriesen. Heute zeugen davon nur noch Fragmente, die sich dem Betrachter ohne Vorkenntnisse kaum mehr erschließen. Wie kam es dazu, dass vom einst prächtig ausgemalten Bibliothekssaal so wenig erhalten blieb? Warum sind diese Fragmente trotz alledem so eindrucksvoll und kulturhistorisch bedeutsam?
Im Vortrag wird die Geschichte der ehemaligen Bibliothek und ihrer Ausstattung nach der Umwandlung des Prämonstratenserstifts in ein Weltgeistliches Stift 1506/07 nachvollzogen, von der Vernachlässigung und dem zunehmenden Verfall über die neue Nutzung durch die 1704 gegründete Ritterakadamie bis hin zur Sperrung des Nord- und Ostflügels der Domklausur wegen Baufälligkeit im Jahr 1971.
Ausgehend von Bild- und Schriftquellen sowie bauhistorischen Erkenntnissen und restauratorischen Befunden vor Ort lässt sich die Geschichte der wiederholten Umnutzung, Umgestaltung und Restaurierung der ehemaligen Bibliothek im Laufe der Jahrhunderte anschaulich nachvollziehen. Damit erschließt sich die überlieferte Substanz und das heutige Aussehen des Raumes wird verständlich: Dieser ist trotz der Freilegung und Konservierung der Wandmalereifragmente in den Jahren 2002/05 immer noch maßgeblich durch die Veränderungen des 16. bis 20. Jahrhunderts geprägt.
Prof. Dr. Dipl. Rest. Ursula Schädler-Saub, geboren in München, aufgewachsen in Italien, seit 1981 wieder wohnhaft in Deutschland. Studium der Kunstgeschichte an den Universitäten Mailand und Florenz, Studium der Restaurierung am Opificio delle Pietre Dure in Florenz. Promotion zum Dr. phil. an der TU Berlin.
Von 1981 bis 1993 tätig beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege in München, zunächst als Restauratorin für Wandmalerei und dann als Gebietsreferentin in der praktischen Denkmalpflege (Nürnberg und Mittelfranken). Von Wintersemester 1993/94 Professur für das Lehrgebiet „Geschichte und Theorie der Restaurierung, Kunstgeschichte“ an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst HAWK in Hildesheim, Fakultät Bauen und Erhalten.
Mitglied der Monitoring-Gruppe für die deutschen Welterbestätten des Deutschen Nationalkomitees von ICOMOS sowie verschiedener International Scientific Committees, Sprecherin des National Scientific Committee „Konservierung-Restaurierung“. Mitglied von ICOM und ICOM-CC (Working Group History and Theory of Conservation/Restoration).
Teilnahme an vielen internationalen Forschungsprojekten insbesondere zur Geschichte, Theorie und Ethik der Restaurierung und der Denkmalpflege; Veranstaltung von Fachtagungen und zahlreiche Publikationen zu diesen Forschungsschwerpunkten.
Von November 2017 bis Dezember 2021 Leiterin des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG geförderten Forschungsprojektes „Der Wandmalereizyklus zu den Wissenschaften und Künsten in der Brandenburger Domklausur. Restaurierungswissenschaftliche Forschung zur substantiellen und ideellen Erschließung des erhaltenen Bestandes“.