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Suchan, Monika:
Die Bibliothek des Godehard-Klosters und ihre Bücher im 15. und 16. Jahrhundert
Eine Bibliothek gehörte zu den Kernbestandteilen eines mittelalterlichen Klosters. In der Regel richtete die klösterliche Gemeinschaft dafür einen eigenen Raum ein, der vielfach bereits Teil der genuinen Bauplanung gewesen sein dürfte. Doch für nur sehr wenige erhaltene Klosteranlagen ist die Identifikation des Bibliotheksraumes gesichert, von der entsprechenden Ausstattung ganz zu schweigen. Der Bibliotheksraum des Godehard-Klosters gehört zu diesen wenigen Fällen; er ist zudem der mutmaßlich einzige, für den ein signifikanter Teil der Originalausstattung aus der Zeit des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts erhalten blieb: der unmittelbar an der Wand aufgemalte Standortkatalog sowie etliche mit entsprechenden Signaturen versehene Handschriften und Druckwerke, die heute zum Bestand der Dombibliothek Hildesheim gehören – ein kulturhistorisch singuläres Ensemble, das über die einschlägigen fachwissenschaftlichen Kreise bisher nur wenig Aufmerksamkeit erregt hat.
In dieser Gestalt ist die Bibliothek des Godehard-Klosters ein Produkt der Bursfelder Reform. Denn sie zielte in einer Epoche tiefgreifender gesellschaftlicher Umbrüche auf eine Erneuerung monastischer Lebensweise, nicht zuletzt durch eine umfassende Bildung der Mönche und Nonnen als Einzelne wie als Gemeinschaft. Dabei erschien die Bereitstellung von Wissen essenziell.
Am Beispiel der Godehard-Bibliothek und ihrer Bücher lässt sich zeigen, dass sich die Reformprozesse nicht nur auf im engen Sinne glaubensrelevante Inhalte, Formate und Methoden bzw. Formen von Bildung erstreckten, sondern praxisrelevantes, insbesondere institutionenbezogenes Wissen einschlossen. Dabei spielte die Person Bischof Godehards eine zentrale Rolle. Denn er wurde als Leitbild für eine Erneuerung von Person und Gemeinschaft von der – in Hildesheim prominent vertretenen – Bursfelder Bewegung geradezu wiederentdeckt und bei der Umsetzung von konkreten Maßnahmen gezielt eingesetzt.
Die besondere Überlieferung der spätmittelalterlichen Bibliothek des Godehard-Klosters und ihres Buchbestandes zeigt, welche konkreten Antworten man dort auf die Herausforderungen der Zeit formulierte. Diese veränderten den Alltag der Mönche und strahlten nicht nur in die Glaubenspraxis und Spiritualität der Brüder aus, sondern veränderten auch die Praktiken der Gemeinschaft als Institution.
Priv.-Doz. Dr. habil. Monika Suchan ist Historikerin und Direktorin der Dombibliothek Hildesheim; Forschungsschwerpunkte: Kultur-, Politik- und Kirchengeschichte des Mittelalters, Wissens- und Bibliotheksgeschichte. Kontakt: Monika.Suchan@bistum-hildesheim.de