Tagungsbeitrag

Gallistl, Bernhard:

Das Gedenken an Bischof Godehard in St. Godehard

Das heute verloren gegangene Büstenreliquiar des Heiligen Godehard war, obwohl bisher unbeachtet, ein maßgeblicher Sakralgegenstand in seinem Kloster gewesen. Diese „imago S. Godehardi“ ist zum ersten Mal fassbar im Zusammenhang ihrer Weihe durch Bischof Siegfried II. vom 7. September 1288. Sie enthielt als - im übertragenen wie im wörtlichen Sinne – Hauptreliquie den vorderen Teil des Schädels, den bereits Bischof Bernhard I. bei der Translation des Heiligen im Jahr 1132 abgetrennt und für seine geplante Klostergründung bestimmt haben dürfte. Dementsprechend ergibt sich aus der urkundlichen und chronistischen Überlieferung eine zentrale Wertigkeit und Bedeutung des Reliquiars.
Aufschlussreich ist die Zeremonie am Hochaltar, bei welcher Nikolaus Cusanus, der das Kloster als Kardinallegat besuchte, das Haupt des Heiligen Godehard mit einem Kuss ehrte und damit besondere Verbundenheit mit dem Heiligen der Reform bekundete.
Die Büste stand offenbar auch sonst auf dem Hochaltar im östlichen Chorraum und machte diesen zu einem Mittelpunkt der Godehardverehrung. Die aus Frankreich übernommene Anlage eines Chorumgangs mit Kapellenkranz erlaubte es dabei auch den Laien, die Reliquie des Patrons im Gebet zu betrachten, zu umschreiten und im Gottesdienst zu feiern. Auf diese Weise scheint die Verehrung der Kopfreliquie an dieser Stelle bereits den Bauplan bestimmt zu haben.

Dr. Bernhard Gallistl studierte Klassische Philologie und absolvierte dann das Referendariat für den Höheren Bibliotheksdienst. 30 Jahre lang leitete er die Handschriftenabteilung an der Dombibliothek Hildesheim und war daneben Lehrbeauftragter an der StiftungsUniversität Hildesheim und an der HAWK in Hildesheim. Forschungsschwerpunkte: Kultgeschichte und Hagiographie. Kontakt: bernhardgallistl@msn.com

Publikationen aus der Umgebung des Tagungsthemas:
Eine unbekannte Überlieferung der Vita Godehardi posterior. In: Concilium medii aevi. vol. 24, 2020, 3–43. DOI: https://doi.org/10.11588/cma.2021.1.83716
Der Heilige Godehard von Hildesheim und die Kirchenreform des 11. Jahrhunderts (Veröffentlichungen des Hildesheimer Heimat- und Geschichtsvereins). Hildesheim 2021