Tagungsbeitrag
Meier, Hans-Rudolf:
Chorumgang – St. Godehard in Hildesheim
St. Godehard in Hildesheim gilt in der Architekturgeschichte als erster Bau im Reichsgebiet mit Chorumgang und Kapellenkranz. Die Seitenschiffe des basilikalen Langhauses setzen sich jenseits des Querhauses fort und werden um die Apsis herumgeführt, zu der sie sich mit fünf von Säulen getragenen Arkaden öffnen. Der Chorumgang an sich steht, wie die Funktion als Kloster- und Bestattungskirche des Gründerbischofs, in lokaler Hildesheimer Tradition und geht über St. Michael wohl auf den spätkarolingischen Dom zurück. Neu sind hingegen die drei Radialkapellen, die französischen Vorbildern folgen. Genannt wurde beispielsweise der Chor der ehemaligen Prioratskirche St-Etienne in Nevers, wo sich eine ähnliche Disposition findet. Allerdings sind dort die Chorumgangskapellen – wie bei nahezu allen französischen Beispielen – wesentlich tiefer, während es als formale Besonderheit in St. Godehard auffallend flache Apsidiolen sind. Das wird zu diskutieren sein, ebenso wie die Frage nach dem konkreten Vorbild der Umgangskapellen. Handelte es sich dabei allein um eine formale Neuerung, um ein Zitat und/oder um einen semantischen Bezug, hatte doch der Bauherr Bischof Bernhard I. 1131 die Heiligsprechung Godehards, eines seiner Vorgänger, auf einer Synode in Reims erwirkt?
Prof. Dr. Hans-Rudolf Meier ist Kunsthistoriker. Nach Lehr- und Forschungstätigkeiten an der ETH Zürich, der Uni Fribourg und der TU Dresden ist er seit 2008 Professor für Denkmalpflege & Baugeschichte an der Fakultät Architektur & Urbanistik der Bauhaus-Universität Weimar. Er ist Sprecher des DFG-Graduiertenkollegs „Identität und Erbe“ und forscht und publiziert hauptsächlich zur Geschichte und Theorie der Denkmalpflege sowie zur Architekturgeschichte des Mittelalters und der Moderne. Kontakt: Hans-Rudolf.Meier@uni-weimar.de