Tagungsbeitrag
Popiolek, Malgorzata:
Politik und Denkmalpflege. Das Wiederaufbauprogramm für die polnischen Altstädte nach dem Zweiten Weltkrieg
Der Wiederaufbau der historischen Architektur in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, zuerst von den verantwortlichen Politikern in Frage gestellt, wurde zu einem wichtigen Mittel der Nachkriegspropaganda der kommunistischen Partei, die dadurch ihre Macht in Polen legitimieren wollte. Die polnischen Architekten, die die Politiker vom Wiederaufbau der Baudenkmale überzeugten, beriefen sich praktisch nie auf ihre Vorkriegstätigkeit und vertraten eine politisch bedingte Idee einer ideologischen Stunde Null, die das Grenzdatum 1945 darstellen sollte. Die Prinzipien des vom Jan Zachwatowicz formulierten Wiederaufbauprogramms für Warschau und für andere polnische Städte, lassen sich dennoch ohne eine genaue Untersuchung der Vorkriegstendenzen in der europäischen Denkmalpflege nicht verstehen.
Unter dem Motto „Reinigung der Zeichen des Kapitalismus“ wurde in Warschau eine moderne städtebauliche und ästhetische Sanierung des Stadtraums durchgeführt. Mit Zustimmung oder auf einen direkten Befehl der Denkmalpfleger wurden zahlreiche nach 1850 entstandene Mietshäuser abgerissen, Blockinnenbereiche entkernt, Gebäudehöhen angeglichen und Fassaden von den Gipsverzierungen gereinigt. Eine ähnliche Vorgehensweise ist beim Wiederaufbau der ehemaligen deutschen Städte (z. B. in Breslau, und in Danzig) zu beobachten, diesmal unter dem Motto: „Beseitigung der deutschen Spuren“. Trotz der unterschiedlichen propagandistischen Inszenierungen, lassen sich die europäischen Wurzeln der polnischen Denkmalpflege nach dem Zweiten Weltkrieg gut erkennen.
Malgorzata Popiolek M.A., M.Sc. Kunsthistorikerin; Masterstudium der Kunstgeschichte in Warschau und Freiburg im Breisgau sowie der Denkmalpflege an der TU Berlin; derzeit Promotionsstudium an der TU Berlin mit dem Thema: Wiederaufbau von Warschau nach dem Zweiten Weltkrieg im Kontext der europäischen Denkmalpflege.